Balis Delphintour in Lovinabeach – Ausverkauf der Natur

Eine Delphintour, die ist lustig. Eine Delphintour, die ist schön?

Früh morgens, viertel vor sechs klopft es an meiner Tür. Ich werde abgeholt zu meiner, am Vortag, gebuchten Delphintour inklusive Schnorcheln am Riff im Anschluss. Müden Auges sammeln sich die Gäste im Dunkeln zusammen, wir warten auf weitere. Mein Hostel liegt direkt am Strand, wo sich die Gruppen treffen. Aus einem Haufen alter, sonnengebleichter Rettungswesten sucht sich jeder eine heraus und streift sie über den Kopf. Die Gurte meiner so herausgefischten Weste sind an mehreren Stellen gerissen, aber über Wasser wird sie schon halten.

Wir stapfen durch den schwarzen Sand, vorbei an Booten und liegen gelassenen Plastikflaschen und angespültem Plastikmüll. Hektisch sucht unser Bootsführer unsere kleine Gruppe zusammenzuhalten, um uns zu seinem Boot zu führen. Noch vor Sonnenaufgang schwappen wir über das wellensanfte Wasser hinaus aufs Meer. Die Fahrt dauert zehn, vielleicht 20 Minuten. So genau weiß ich das nicht, ich habe mein Handy noch in der Sicherheit der Drybag gelassen. Die ersten Meter der Fahrt passieren wir vereinzelte Plastikflaschen, die sanft auf den Wellen reiten. Doch nach einer Weile häufen sie sich und bilden zusammen mit Plastikhüllen, Plastiktüten, Plastikverpackungen für Kekse, Tütensuppen, Shampoo und allem aus dem täglichen Leben bekannten, Seen im Ozean. Doch die Gäste sind ganz entzückt bei dem ersten wolkendurchbrechenden Sonnenlicht und zücken ihre Handys und Kameras, um den schönen Moment in Mutternatur festzuhalten. Sonnenaufgang auf dem Rücken des Meeres war schließlich mitgebucht.

Malerischer Sonnenaufgang macht vergessen

Inzwischen haben wir wohl den Hotspot des Delphintourismus erreicht und so halten wir, zusammen mit weiteren Booten und ihren gespannten Insassen einige Kilometer vom Ufer entfernt. Unser Bootsführer ist eifrig bemüht uns auf die kleine Delphingruppe in der Ferne aufmerksam zu machen. Beim kurzen Auftauchen der ersten Exemplare quiekt die jungen Frau hinter mir ganz aufgeregt und stupst ihren Freund freudestrahlend in die Richtung. Die Jagd beginnt. Ab jetzt heißt es immer hinterher. Knatternd startet der Motor des Boots erneut und bringt uns zu den versprochenen Delphinen. Eng laviert er uns an das Heck des Vorderbootes, dicht an dicht schwimmen wir auf dem Wasser und verfolgen mit Augen und Linsen die geschwind davon hechtenden. In der Diesel geschwängerten Luft hetzen wir den niedlichen Tieren nach, die abtauchen, sobald man ihnen den Weg abschneidet. Sekundenkurz ist der Blick auf die geschmeidig ins dunkle Wasser einschneidenden Wesen, die sichtlich bedrängt von all den sie verfolgenden Booten das Weite suchen.

Während die Gäste in freudiger Erwartung auf das Wasser starren, bewaffnet mit ihren Kameras, immer zum (Ab-) Schuss bereit, blicke ich auf die an mir vorbei schwimmende Tüte einer asiatischen Marke, gefolgt von Plastikbechern, Strohhalmen und so vielem mehr, was kleine weiße Punkte bis zum Horizont zeichnet. Ekel überkommt mich, Mitleid mit den majestätischen Tieren, denen wir hinterher hetzen, um Bilder für unsere virtuellen Fotoalben zu machen. Ein lautes “Huch” und “Oh” und euphorisches Lachen von allen Seiten, sobald die dunkelgrau schimmernde Haut aus dem dunkel glänzenden Wasser auftaucht. Wen stört beim gebuchten Anblick der süßen Geschöpfe, in deren Lebenswelt wir eindringen und die wir schon lange im Begriff sind zu zerstören, schon die unzähligen Zeugnisse menschlichen Raubbaus?

Zwar scheint nun zunehmend auch die französische Touristin hinter mir im Boot auf den neben uns treibenden Schrott im Wasser aufmerksam geworden zu sein, wie ihre naserümpfende Geste mir zu verstehen gibt. Und auch die chinesische Frau weist ihren Mann daraufhin. Aber der Unmut darüber wird schnell getilgt, hat sich das frühmorgentliche Aufwachen doch gelohnt. Leicht übersieht man die mit Treibgut verbundene Masse vielfältigster Kunststoffprodukte, wenn ein süßer Delphin nah am Boot aus dem Wasser springt. Draufhalten, digital einfangen für die Lieben zu Hause, und ja darauf achten den Rahmen richtig zu setzten: den Müll will man schließlich nicht mit auf dem Bild haben.

Bei 26 Booten aufgehört zu zählen

Das dies jedoch alles zusammen gehört, scheint hier niemandem bewusst. Als ich meinen Kopf vom Notizheft hebe, stelle ich mit Schrecken fest, dass die neun Boote zu Beginn der Tour inzwischen zu einer Armada natursehnsüchtiger Touristen angewachsen ist. 15 Boote hinter uns und am Horizont Boote so weit das Auge reicht, bei 26 gebe ich auf zu zählen. 150.000 IDR hat mich die zweistündige Tour gekostet, das sind umgerechnet um die neun Euro. Wir sind acht Personen im Boot, mit dem Fahrer neun. Mir kommt der Gedanke, dass jeder von uns etwas von dem Müll herausfischen könnte. Warum haben wir keine Köcher dabei? Was würde es kosten ein Boot zu mieten und die Tour am folgenden Tag einfach noch mal zu machen? Anstatt Sealifewatch bloß Trashcleanup. Schnittiger Slogan, schön als Lifestyle verpackt, dass zieht heutzutage doch. Gib den Menschen das Gefühl etwas Gutes zu tun und sie tun es!

Den Strand sauber halten – wer hält sich hieran?

Nein, kein Dienst an der Natur, aber die Sehnsucht nach ihr befriedigt, knattern wir schnell weiter im Rauch des Diesels. Grotesk ist der Anblick des, einer Sperrspitze gleich geformten Tross an Booten, die eifrig beim Auftauchen einer Flosse versuchen, die Schnellsten zu sein. Ich fühle mich allein. Bin ich tatsächlich die Einzige, die keinen Spaß empfindet? Ich versuche in den Gesichtern der an mir vorbei ziehenden Menschen denselben erschrockenen Ausdruck zu finden. Doch mir entgegnen nur strahlende Blicke. Enttäuschung macht sich bei den meisten erst breit, als die niedlichen Delphinrücken ausbleiben. Sie haben das Weite gefunden, sind unter- und abgetaucht in ihre Welt. Wir drehen ab inmitten des an uns vorbei schwimmenden Drecks, kehren von der recht erfolgreichen Tour an den Strand zurück.

Vielleicht sollten wir anfangen Müllsammeltouren anzubieten, der Ertrag wäre immer gewährleist.


Mai 2019

Leave a Reply

Fill in your details below or click an icon to log in:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Google photo

You are commenting using your Google account. Log Out /  Change )

Twitter picture

You are commenting using your Twitter account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s